Homophobie in meiner Verwandtschaft


Seit Jahren berichte ich wie selbstverständlich über LGBT- Themen und werbe mit meinem Blog und meinen Büchern um Toleranz. In diesem persönlichen Beitrag gehe ich näher auf die Homophobie ein, die in meinem eigenen Umfeld steckt.

Wie ich bereits in meiner Coming- Out- Geschichte schrieb, die im Geest-Verlag erschien, bin ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Dort, wo es nie LGBT- Veranstaltungen gibt, keinen Treff für homosexuelle Jugendliche (die es da ohnehin schon schwer genug haben) und wo Männer höchstens an Karneval Frauenkleidung tragen. Meine Oma, über die ich schon öfter in diesem Blog berichtet habe, hinterließ eine große Zahl an Verwandten, die beinahe alle in der Vordereifel leben. Als Kind war ich bei einigen zu Besuch und es ist dort wie in einer anderen Welt. Meine Verwandten leben in diesem Ort Tür an Tür wie Hinterwäldler, obwohl sie Strom, Fernsehen und Internet haben- manchmal lebt man eben auch im eigenen Kopf hinterwäldlerisch. Man ist Mitglied im Schützenverein, Musikchor oder arbeitet im Pfarramt. Der katholische Glaube bedeutet für sie alles, doch es ist keine gute Form des Katholizismus, denn sie leben nach der erzkonservativen Form, die nichts akzeptiert, was nicht wie sie selbst ist.
Ich bin zum Beispiel so ein Fall. Schon als Kind war ich anders, was sie gespürt haben- und mich ab der Pubertät selbst spüren ließen. Aufgrund von Falschaussagen, missverstandener Loyalität den falschen Personen gegenüber, Intrigen und ihren eigenen Hemmschwellen verlor ich unter anderem den Kontakt zu meinen Paten und den anderen Verwandten, die alle um fünf Ecken mit meiner Oma verwandt oder befreundet waren.

Vor kurzem habe ich mich schriftlich an meine Paten gewandt, um den Grund zu erfahren, weshalb ich gemieden werde. Meine Patentante meldete sich gar nicht, so wie sie es schon seit meinem Brief vor einigen Jahren handhabt. Mein Patenonkel meldete sich einmal, als ich ihm dann eine längere Mail- in welcher ich offen über meine Gedanken und Gefühle über die ganze Sache sprach- schickte, kam auch von ihm nichts mehr zurück. Wie unerwachsen!
Mittlerweile, nach dem viele Jahre vergangen sind- in denen sich so viel verändert hat- habe ich gemerkt, dass man bei diesen Menschen keinen Bewusstseinswandel herbeiführen kann. Sie leben ein komplett anderes Leben, sind rege in Vereinen und dem Dorfleben integriert- und halten alles von sich fern, was auch nur ansatzweise anders ist, als sie selbst. Wer sich nicht anpasst, einen guten Job und Frau mit Kind hat oder dem rechten Flügel des Katholizismus angehört, ist unten durch.
Richtig, das klingt nach dem neunzehnten Jahrhundert- und genau das ist es auch. Meine jüngeren Verwandten haben Internet, die älteren schauen Fernsehen und trotzdem verweigern sie sich der Lebensrealität, der sie dort begegnen. Schwule, lesbische und transsexuelle Figuren gehören nämlich mittlerweile zu jeder Serie, die etwas auf sich hält und in vielen deutschen Filmen werden homosexuelle Handlungen dargestellt. Dennoch denken sie nicht über ihr egoistisches Verhalten nach und checken auch nicht, dass die Medien ständig über die Ehe für alle berichten, die seit Oktober 2017 im Gesetz verankert ist. Selbst dieser wichtige politische Schritt lässt sie ihre eigene Einstellung nicht hinterfragen- dafür sind sie zu fest in ihrem erzkonservativen Glauben verankert. Dabei merken sie nicht, wie schizophren ihre Vorstellungen des Schöpfers sind, denn Gott liebt ihrem seltsamen Weltbild zufolge alle seine Geschöpfe- außer Homosexuelle.

Als Andersdenkender habe ich aus der Vergangenheit gelernt, dass ich Menschen, die mein Wesen und meine Person- alles wofür ich als Individuum stehe- nicht akzeptieren, nicht in meinem Umfeld haben möchte. Auch wenn ich dafür auf wichtige Details aus meiner Verwandtschaft oder dem Leben meiner Großeltern verzichten muss- Dinge, die meine Verwandten lieber mit ins Grab nehmen, statt mit mir darüber zu sprechen- zahle ich lieber diesen Preis, als mich zu verleugnen oder mich zu verstellen, nur um es altertümlich denkenden Personen recht zu machen!

Ich bin sicher, dass jeder solche Menschen in seinem näheren oder entfernteren Umfeld kennt und gerade deswegen ist es wichtig, immer wieder Aufklärung zu betreiben und sich nicht zu verstecken. Schwul oder lesbisch zu sein ist eben ganz normal- es macht einen nicht zum anderen- und vor allem nicht zum schlechteren- Menschen! Viele engagierte Personen haben im LGBT- Bereich bereits eine Menge erreicht, nicht zuletzt mit der rechtmäßigen Öffnung der Ehe für alle 2017, doch der Kampf ist noch lange nicht beendet und auch ich werde weiterkämpfen:
gegen uneinsichtige Personen, gegen unsichtbare Mauern in sturen Köpfen und gegen die fehlende Courage, die mir und anderen LGBT´s tagtäglich entgegengebracht wird!